Buchkritik: "Iron Flame" von Rebecca Yarros (2024)

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Rebecca Yarros: "Iron Flame"

07:40 Minuten

Buchkritik: "Iron Flame" von Rebecca Yarros (1)

Rebecca Yarros

Aus dem amerikanischen Englischen von Michaela Kolodziejco*k, Michelle Gyo

"Iron Flame" (Flammengeküsst-Reihe Band 2)dtv, München 2023

960 Seiten

32,00 Euro

Von Miriam Zeh·05.12.2023

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US-Autorin Rebecca Yarros hat den Überraschungsbestseller des Jahres geschrieben. Jetzt erscheint der zweite Teil ihrer Drachensaga auf Deutsch. Eine aufwendige Sonderauflage ist bereits vor dem Erstverkaufsdatum vergriffen. Woher kommt der Hype?

Aus dem PodcastLesart

Wer auf BookTok unterwegs ist, kommt an Kadettin Violet Sorrengail, ihrem schlagfertigen Drachen Tairn und ihrem unverschämt gutaussehenden „love interest“ Lieutenant Xaden Riorson gerade kaum vorbei. US-Autorin Rebecca Yarros hat mit „Fourth Wing“, dem ersten Teil ihrer Saga rund um eine elitäre Militärausbildungsstätte für Drachenreiter, einen Welterfolg gelandet. In den USA, Großbritannien, Australien und Südafrika war der 500 Seiten starke Roman ein Verkaufserfolg. Auch in Deutschland katapultierten Fans die für den Export produzierte englischsprachige Taschenbuch-Ausgabe des zweiten Teils „Iron Flame“ direkt auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste – ein äußerst seltener Erfolg für ein fremdsprachiges Buch. Nun ist die deutsche Übersetzung von „Iron Flame“ erschienen. Eine luxuriös ausgestattete Startauflage (mit Farbschnitt) von knapp 200.000 Exemplaren war jedoch schon vorher vergriffen, das heißt vom Handel vorbestellt.

Für den Hype um die Drachensaga gibt es verschiedene Gründe. Yarros‘ „Flammengeküsst-Reihe“ segelt auf der Erfolgswelle der Romantasy, einer Mischung aus den Genres Romance und Fantasy. Um bei Fans beider Genres zu punkten, setzt auch Yarros einerseits auf Fantasy-Elemente: In unzähligen Details entwirft sie eine fiktive Welt rund um das Königreich Navarre, das seine Grenzen mit soldatischen und magischen Kräften gegen Feinde verteidigen muss. Es gibt epische Kampfszenen zwischen Gut und Böse, mit unterschiedlichen Charaktereigenschaften ausgestattete Drachenarten, die ihren Reitern übernatürliche Kräfte verleihen, und jahrhundertealte Runen-Zauber.

Zuerst Feinde, dann Liebespaar

Andererseits setzt die versierte Romantikautorin Yarros, Tochter aus einer Militärsfamilie und Ehefrau eines ehemaligen Air-Force-Piloten, auf klassische Tropen aus dem Romance-Genre: Während sich die navarrische Generalstochter Violet und Xaden als Sohn eines Verräters und Feind des Königreichs auf den ersten Blick nicht ausstehen können, sogar verfeindet sind, wird aus den beiden allmählich ein ungleiches und doch leidenschaftliches Liebespaar. (Im Romance-Genre ist diese Trope als „enemies to lovers“ bekannt.)

Ebenfalls entscheidend für den Erfolg beim jungen und vornehmlich weiblichen Publikum: Heldin Violet lädt zur Identifikation ein. Ihre Autorin Rebecca Yarros leidet an einer chronischen Krankheit, dem Ehlers-Danlos-Syndrom. Violet hat sie einige ihrer Symptome vererbt, die brüchigen Knochen etwa, die leicht aus den Gelenken rutschen. Die zerbrechliche Violet war im Gegensatz zu ihren kräftigeren älteren Geschwistern deshalb nie für eine Karriere als Drachenkriegerin vorgesehen. Sie sollte ihr Leben als Schreiberin in den Archiven von Navarre verbringen.

Gekonnte Plot-Twists und Sexszenen

In „Fourth Wing“ schlägt sich Violet mit Klugheit und Willenskraft trotzdem durch den harten Auswahlprozess der Militärschule Basgiath und ihr erstes Jahr als Kadettin. Im zweiten Band „Iron Flame“ kämpft Violet nun gemeinsam mit Xaden in der Revolution, stellt sich also an die Seite des Liebhabers und gegen die von der eigenen Mutter angeführte Armee von Navarre.

Rebecca Yarros erweist sich als versierte Spannungsmeisterin, die liebevoll ausgestaltete Nebenfiguren unvermittelt im Kampf verunglücken, Totgeglaubte genauso überraschend wieder auftauchen lässt oder die vermeintliche Meuterei schließlich als Einsatz für die gerechte Sache entlarvt. Genauso gekonnt und verlässlich wie ihre Plot-Twists setzt Yarros ihre Sexszenen. Während sie die Fantasiewelt mit einigen Zeitgeist-Markern versetzt – einem queeren Liebespaar oder einer gehörlosen Figur, die in Gebärdensprache kommuniziert – demaskiert sich die Romantikautorin hier in ihrer Heteronormativität. Beim Sex sind die Rollen zwischen dem dominanten Xaden und der sexuell überwältigten Violet klar verteilt.

Perfekte Weltflucht zum Wegsuchten

Überhaupt erinnern viele Charakterzeichnungen und Handlungsmuster an erfolgreiche Unterhaltungsromane der letzten Jahre, von der Erotikreihe „Shades of Grey“ bis zur Abenteuer-Serie „Die Tribute von Panem“. Literarische Raffinessen sucht man in Yarros‘ Empyrean-Reihe ebenso vergeblich im englischsprachigen Original wie in der unter höchstem Zeitdruck und oft ungelenk eng am Original entstandenen deutschen Übersetzung von Michelle Gyo und Michaela Kolodziejco*k.

Doch ist diese Buchreihe auch keine Literatur zum langsamen Genuss. Derart rasant geplottete Romantasy will in Rekordgeschwindigkeit verschlungen, geradezu weggesuchtet werden. Auf TikTok filmen sich Fans, wie sie sich in atemlosen Nächten durch die Bände lesen, immer wieder überrascht aufschreien, die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, lachen und weinen. Sie berichten, dass sie sich Urlaub nehmen und die Kinder beim Partner parken, um Yarros‘ Bände stundenlang ungestört zu lesen und wieder zu lesen. Schließlich macht genau dieses Zelebrieren die sexy Drachenreiter so erfolgreich: Sie sind die perfekte Weltflucht.

Buchkritik: "Iron Flame" von Rebecca Yarros (2024)

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